Am 19.11.2022 verstarb unser lieber Kollege und Dekanatsrat Dr. Martin Hüneburg mit nur 63 Jahren. Hier wollen wir an ihn erinnern.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Ein Mann mit Brille stehend an einem Pult. Dr. Martin Hüneburg, Foto: Sylvia Kolbe.
Dr. Martin Hüneburg, Foto: Sylvia Kolbe.

Nachruf

Martin Hüneburg war der Fakultät seit Studienzeiten verbunden und hat sie über mehr als vier Jahrzehnte mitgestaltet und zunehmend mitgeprägt. Er studierte evangelische Theologie an den Theologischen Fakultäten in Halle und Leipzig und wurde 1986 nach seinem Studium Assistent in Leipzig im Fach Neues Testament bei Wolfgang Wiefel, später am Institut bei Werner Vogler und Christoph Kähler. Als Fakultätsmitarbeiter war er in verschiedenen Funktionen tätig, sowohl in der akademischen Lehre und Forschung als auch in der Administration. Als solcher hat er mit großer Umsicht den Fusionsprozess zwischen Theologischer Fakultät und Theologischem Seminar Anfang der 1990er Jahre begleitet und mitgestaltet. Seit 2000 war er Beauftragter der Universität Leipzig für Hochschulangehörige mit Behinderung, eine Aufgabe, die zunehmende Bedeutung gewonnen hat. Besonders in den Jahren seit 2006 ist Martin Hüneburg als Dekanatsrat zu einer tragenden Säule der Fakultätsverwaltung geworden, hat die steigenden Anforderungen in der Verwaltung souverän und pflichtbewusst bewältigt, auf eine bewundernswerte Weise pragmatisch, besonnen und lösungsorientiert kanalisiert und damit das Gedeihen und den Bestand der Fakultät maßgeblich befördert. Herauszuheben sind die Planungen und Vorbereitungen, die Organisation und die Durchführung des Umzuges der Fakultät in ihr neues Domizil in der Beethovenstraße. Diesen Prozess hat Martin Hüneburg über fast zehn Jahre (von 2012–2021) gestaltet, ein Unterfangen, dessen Dimensionen die wenigsten ermessen können. Sein Sachverstand auch im technischen und baulichen Bereich hat zum Gelingen dieses Projektes maßgeblich beigetragen. Ohne ihn wäre die Fakultät nicht dort, wo sie ist, und nicht das, was sie ist.

Sein akademisches Herz schlug allerdings nicht in der Verwaltung, sondern in der Wissenschaft. Wo Martin Hüneburg war, waren stets Unmengen von Büchern. Kam man mit ihm ins Gespräch, hatte man nicht nur den Eindruck, dass er alles zum Thema kannte, sondern es war tatsächlich so. 1999 wurde er mit einer Dissertation zur sogenannten Logienquelle promoviert (erschienen 2001 bei der Evangelischen Verlagsanstalt unter dem Titel »Jesus als Wundertäter in der Logienquelle. Ein Beitrag zur Christologie von Q«). Darin hat er entgegen der communis opinio zeigen können, dass die Logienquelle nicht nur eine Sammlung von Jesusworten ist, sondern auch narrative Strukturen hat, die die Charakteristik dieser frühchristlichen Tradition prägen. Daneben und darüber hinaus hat er eine beachtliche Reihe von Einzelstudien zu verschiedenen Themen publiziert, die zum Teil aus seiner Mitwirkung am Forschungsprojekt zum »Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti« erwachsen sind, aber etwa auch aktuellen Fragen zu religiöser, nationaler und kultureller Identität in Judentum, Christentum und Islam gewidmet waren. Breite, Gründlichkeit und Scharfsinnigkeit seiner Studien sind bemerkenswert und bereichern den akademischen Diskurs. Sein Habilitationsprojekt zu den postpaulinischen Interpolationen und Bearbeitungen der Paulusbriefe wird unvollendet bleiben.

Das immense Wissen Martin Hüneburgs, seine stupende Gelehrsamkeit und gleichzeitig seine Bescheidenheit und Zurückhaltung waren bewundernswert. Man hat von ihm stets etwas gelernt, ohne sich belehrt zu fühlen. In Vorlesungen und Seminaren, auf Exkursionen, im akademischen Gespräch und auch in außeruniversitären Kontexten hat er sein Wissen und seine Forschungen erfolgreich vermittelt und damit viele Generationen von Pfarrerinnen und Pfarrern, von Religionslehrerinnen und Religionslehrern geprägt. Als ordiniertes Mitglied des Predigerkonvents der Fakultät war Martin Hüneburg ein engagierter Prediger, im Universitätsgottesdienst ebenso wie in der Ortsgemeinde seiner Frau und an unzähligen anderen Orten. Die Verbindung von pfarramtlicher Praxis und akademischer Lehre hat seine Arbeit und sein Ethos stets geprägt. Seine geistliche Heimat war die Evangelische Michaelsbruderschaft, die er auch in verantwortlicher Funktion mitgestaltete. Akademische Theologie und evangelische Spiritualität gehörten für ihn zusammen und machten seine theologische Existenz als Hochschullehrer aus. 

Die Fakultät und besonders das Institut für Neutestamentliche Wissenschaft verlieren mit Martin Hüneburg einen gelehrten Wissenschaftler, einen engagierten Hochschullehrer, einen stets freundlichen und hilfsbereiten Kollegen, einen in jeder Hinsicht verlässlichen, bescheidenen und pflichtbewussten Mitarbeiter. Die Lücke, die sein allzu früher Tod reißt, ist groß. Dass Gott ihn so früh in seine königliche Herrschaft des Lebens (2Tim 4,18) gerufen hat, bleibt für uns unverständlich. Doch wissen wir Martin Hüneburg getragen und vollendet durch Gottes Gnade und Liebe, die ihn im Glauben erfüllt hat und die größer ist als unser Verstehen. Wir werden ihn sehr vermissen und sein Andenken in Ehren halten. Unser tiefes Mitgefühl, unsere Gedanken und Gebete sind bei seiner Familie.

 

Leipzig am 24. November 2022

 

Für die Theologische Fakultät

Prof. Dr. Alexander Deeg, Dekan

 

Für das Institut für Neutestamentliche Wissenschaft

Prof. Dr. Marco Frenschkowski

Prof. Dr. Jens Herzer

Bibliogaphie von Dr. Martin Hüneburg

Aufsätze

  • Der Spiegel als Erkenntnissymbol bei Jakobus und Paulus, in: Frenschkowski, Marco/Seehausen, Lena (Hg.), in: Im Gespräch mit C.F. Georg Heinrici, Tübingen 2021, 383–398.
  • Warum hat Jesus nicht gelacht, Quatember 84 (2020), 283–296.
  • Unterwegs in Galiläa und auf dem Weg nach Jerusalem – Jesus, ein Pilger?, Quatember 83 (2019), 102–110.
  • Guarigione Per Comando (Il Centurione Di Cafarnao) Q7, 1.3.6b-9, in: Zimmermann, Ruben (Hg.), Compendio Dei Miracoli Di Gesù, Brescia 2018, 249–262.
  • Art. Deuteropaulinen, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon Im Internet, 2017.
  • Erneuerung der Kirche durch eine neue Spiritualität: Die Spiritualität der Evangelischen Michaelsbruderschaft, in: Zimmerling, Peter (Hg.), Handbuch Evangelische Spiritualität (Band 1: Geschichte), Göttingen 2017, 711–732.
  • „Eine intolerante Anmaßung?: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Joh 14,6“, Praxis Gemeindepädagogik 66, 3 (2013): 35–37.
  • Heilung per Befehl (Der Hauptmann Von Kafarnaum). Q 7,1.3.6b-9, in: Zimmermann, Ruben (Hg.), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen. Band 1: Die Wunder Jesu, Gütersloh 2013, 173–182.
  • Vom Gemeindebrief zur Schrift der Kirche: Der Anfang der Paulusbriefsammlung, Quatember 76 (2012), 98–107.
  • „Jedermann sei Untertan ...“ Röm 13,1–7: Zur Relevanz einer problematischen Paränese, in: Bolin, Norbert/Franz, Markus (Hg.), Im Klang der Wirklichkeit: Musik und Theologie (FS. M. Petzoldt), Leipzig 2011, 240–260.
  • Paulus versus Paulus: Der Epheserbrief als Korrektur des Kolosserbriefes, in: Frey, Jörg/Herzer, Jens et. al. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, Tübingen 2009, 387–409.
  • Glaube im Jakobusbrief, Quatember 71 (2007), 4–14.
  • Das Matthäusevangelium als heilige Schrift: Vom Anspruch eines Textes, Quatember 71 (2007), 144–155.
  • Amt im Neuen Testament, Quatember 67 (2003), 97–110.
  • Matthäus und Lukas als Erben der Wunderüberlieferung von Q, Leqach 1 (2001): 137–150.
  • Jesus Als Wundertäter: Zu einem vernachlässigten Aspekt des Jesusbildes von Q, in: Lindemann, Andreas (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus, Leuven 2001, 635–648.
  • Religiöse, nationale und kulturelle Identität, in: Abel, Kurt/Hüneburg, Martin (Hg.): Friede und soziale Wirtschaftsordnung: Juden, Christen und Muslime in gemeinsamer Verantwortung: Dokumentation des zweiten Kirchberger Gespräches 1995 Juden, Christen, Muslime in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Frieden, Hamburg 1996, 32–35.

Rezensionen

  • „Schwab, Günther, Echtheitskritische Untersuchungen zu den vier kleineren Paulusbriefen“, Theologische Literaturzeitung 139, 7/8 (2014), 894–897.
  • „Adamczewski, Bartosz, Constructing Relationships, Constructing Faces. Hypertextuality and Ethopoeia in the New Tes­tament Writings“, Theologische Literaturzeitung 137, 9 (2012): 921–924.
  • „Hultgren, Stephen, Narrative Elements in the Double Tradition. A Study of Their Place Within the Framework of the Gospel Narrative“, Theologische Literaturzeitung 131, 12 (2006): 1280–1283.
  • „Schoch, Reto, Griechischer Lehrgang Zum Neuen Testament.“, Theologische Literaturzeitung 129, 12 (2004): 1303–1305.
  • „Hartin, Patrick J., James and the Q Sayings of Jesus: [Rezension].“, Theologische Literaturzeitung 119, 12 (1994): 1078–1080.
  • „Gärtner, Hannelore, Kleines Lexikon der griechischen und römischen Mythologie“, Theologische Literaturzeitung 117, 8 (1992): 579–581.

Monografien

  • Jesus als Wundertäter in der Logienquelle: Ein Beitrag zur Christologie von Q, Arbeiten Zur Bibel Und Ihrer Geschichte 4, Leipzig 2001.

Herausgabe

  • Hüneburg, Martin/Errath,Franz/Lühder,Hans-Christian/Krachten, Karl Georg (Hg.), Staat und Religionsfreiheit: Dokumentation des dritten Kirchberger Gespräches 1998. Juden, Christen, Muslime in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Frieden, Zwenkau 2001.
  • Hüneburg, Martin (Hg.), Welche Kirche wollen wir? Kirche in einer sich wandelnden Gesellschaft zwischen Spiritualität und Weltverantwortung. Berneuchener Gespräch 1997 der Evangelischen Michaelsbruderschaft, Epd-Dokumentation Nr. 26/1998.
  • Hüneburg, Martin/Abel, Kurt (Hg.), Friede und soziale Wirtschaftsordnung: Juden, Christen und Muslime  in gemeinsamer Verantwortung: Dokumentation des zweiten Kirchberger Gespräches 1995 Juden, Christen, Muslime in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Frieden, Hamburg 1996.
  • Hüneburg, Martin/von Bismarck, Philipp/Abel, Kurt, Gibt es eine Wirtschaftsordnung, die wir gemeinsam im Glauben tragen können? Dokumentation des ersten Kirchberger Gespräches 1993 Juden, Christen Muslime in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Frieden, Duisburg 1994.

 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Traueranzeige für Dr. Martin Hüneburg, Bild: LVZ. „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn“ (Röm 14,8). Die Theologische Fakultät Leipzig trauert um Dr. Martin Hüneburg akademischer Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Neutestamentliche Theologie und Dekanatsrat der Fakultät. Wir sind erschüttert und tief betroffen vom Tod unseres geschätzten Kollegen und Lehrers. Unsere herzliche Anteilnahme gilt seiner Frau und der ganzen Familie. Über Jahrzehnte engagierte sich Martin Hüneburg für Studierende und Lehrende, in Vorlesungen und Seminaren, in der Verwaltung der Fakultät und der Gestaltung unserer Universität. Mit seiner ruhigen, zugewandten und ausgleichenden Art, seiner Verlässlichkeit, klugen Planung und Freundlichkeit war er eine wesentliche Stütze unserer Fakultät. Möge er schauen, was er geglaubt hat. Im Namen der Fakultät, aller Lehrenden, Mitarbeitenden und Studierenden Prof. Dr. Alexander Deeg, Dekan Prof. Dr. Marco Frenschkowski und Prof. Dr. Jens Herzer, Institut für Neues Testament
Traueranzeige für Dr. Martin Hüneburg, Bild: LVZ.

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