Hier finden Sie eine Übersicht über die an der Professur für Theologie und Exegese des Alten Testaments laufenden Dissertationprojekte.
Laufende Dissertationsprojekte
Divine Justice and the Dark Side of God. Perspectives from Job 9
Die Fürbitte für die Herrschenden nach dem Ende des Königreichs Juda
Abstract: Die Arbeit untersucht alttestamentliche Texte, welche zur Fürbitte für Herrschaftspersonen auffordern in einer Zeit, in der Juda keinen eigenen König mehr hatte. Die Fürbitten betreffen die babylonische Stadt (Jer 29,7MT) bzw. das Land (Jer 36,7LXX), in das man deportiert wurde, oder auch den König (Esr 6,10: König Darius; 1Makk 7,33: König Demetrios Soter; Bar 1,11: König Nebukadnezzar). Das Dissertationsprojekt analysiert, welche Vorstellungen und Legitimationsstrategien von Herrschaft sich hinter den Gebetsaufforderungen verbergen. Insbesondere wird erforscht, wie das Gebet bzw. das Opfer Zugehörigkeiten oder Abgrenzungen herstellt und somit die politischen und sozialen Gefüge der jeweiligen Gesellschaft beeinflusst oder beeinflussen soll.
Publikationen:
- Who is Who in Babylonia? Identity and Belonging in the Prayer for the Babylonian City (Jer 29:7), in: Theologische Zeitschrift 2/77 (2021), 102-119
- Wende sie und wende sie, denn alles ist in ihr, in: Junge Kirche 2/18 (2018), 22-25
Kontakt: sophia.kaehler(at)uni-leipzig.de
Glaubensfragen und Identitätskrisen: Reflexionspassagen in Klagetexten des Alten Testaments
Abstract: Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich anhand von ausgewählten Psalmen sowie Passagen des Hiob- und Jeremiabuches (Ps 42/43; 44; 88; Hiob 3.6f.9f.13f.16f; Jer 15.20) mit dem Thema der Klage als Medium existenzieller Reflexion. Dabei kommen vor allem Textpassagen in den Blick, in denen Klage über die geprägte, kultische Form hinaus Elemente der Reflexion über die fraglich gewordene Identität des Beters und dessen Gottesverhältnis aufweist. Aufbauend auf traditions-, motiv- und theologiegeschichtlichen Untersuchungen der Klagen, Erkenntnissen der Trauma Studies sowie der Systematisierung reflexiven Leidens nach Jochen Schmidt können verschiedene widerstreitende Identitätsmomente innerhalb der einzelnen Klagen nachgezeichnet werden: Neben dem früheren, positiv besetzten und aktuellen, zerrütteten Dasein ist für die fraglichen Texte eine suchende Denkbewegung merkmalhaft, die das Zerfasern des eigenen Selbst reflektiert und die Formsprache der Klage durch Überlegungen zum Wesen Gottes und zum eigenen Zustand einholt. Indem die verschiedenen Beter zu unterschiedlichen Anschauungen und Bewertungen des eigenen Daseins coram deo kommen, werden auch verschiedene Wege des Umgangs und der Verarbeitung von Leiderfahrungen festgestellt.
Publikationen:
- A Doe’s Call Grows into Lament: The Comparison with the Doe in Psalm 42:1 and its Meaning for the Description of the Næpæš, Vetus Testamentum (published online ahead of print 2021)
Kontakt: anja.marschall@uni-leipzig.de
Die Wüste, das Meer und die Verwandlung Zions. Eine kritische Kontextualisierung des neuen Exodus in Jesaja 40–52.
Abstract: Die vorliegende Dissertation setzt sich kritisch mit der klassischen These eines neuen Exodus in deuterojesajanischer Schriftprophetie auseinander. Erstens wird geprüft, ob das Konzept eines neuen Exodus innerhalb der relevanten Texte und der diesen Texten zugrunde liegenden vorderaltorientalischen Vorstellungen Kohärenz erzeugt. Die Untersuchung konzentriert sich dabei insbesondere auf Texte, welche die Semantik von Weg und Bewegung mit einer Verwandlung der Wüste oder des Meeres verbinden (u.a. Jes 40,1-11; 43,1-7.14-21; 48,20f.; 49,8-12; 51,9-11). Zweitens wird erörtert, in welcher literaturgeschichtlichen und inhaltlich-theologischen Relation deuterojesajanische Schriftprophetie zur literarisch fixierten Exodus-Landnahmetradition im Hexateuch steht. Diese Fragestellung wird ins Verhältnis zur diachronen Einordnung der jeweiligen deuterojesajanischen Textstelle gesetzt.
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass das Konzept eines neuen Exodus lediglich in Jes 51,10b-11; 52,11f. nachweisbar ist. Diese Verse stehen im Zusammenhang eines großjesajanischen Stadiums, welches mit der Verheißung eines Auszugs in Jes 11,11-16, dem Heiligen Weg durch die Wüste in Jes 35 und der Ankunft in der Heiligen Stadt in Jes 62,10-12 in Verbindung steht. In diesem Stadium sind markante Bezüge zu einer nachpriesterschriftlichen Exodus-Landnahmeerzählung im Hexateuch nachweisbar, insbesondere in Jes 52,11f. In allen älteren Texten, welche auf einen literarischen Beginn in Jes 40 angelegt sind, lassen sich weder das Konzept eines neuen Exodus noch intendierte Verweise auf den im Pentateuch dargestellten Auszug der Israeliten aus Ägypten nachweisen. Die Erschaffung des Weges für Jakob-Israel (vgl. Jes 40,27; 43,2.19b; 49,11) und die Verwandlung der Wüste und des Meeres (Jes 40,3-5; 43,19b-21; 48,21; 49,9b-10; 51,9b-10a) stehen dabei im Zusammenhang der reaktivierten Königsherrschaft JHWHs auf dem Zion (Jes 40,10f.; 52,7-10). Im Rahmen dieser Herrschaft verschwindet das Chaos aus der Stadt, wodurch eine alte mythische Weltordnung erneuert wird, welche zwischen Zentrum und Peripherie unterscheidet. Die verwüstete Stadt erblüht zu neuem Leben (Jes 52,9). Dementsprechend stehen die gebändigten Chaoswasser (Jes 51,9b-10a) den lebensspendenden Wassern der Gottesstadt (v.a. Jes 48,21) gegenüber. Deuterojesaja war demnach nicht als theologische Werbeschrift zum Auszug aus Babylon, sondern von vornherein als heilsprophetische Variation einer gemein-altorientalischen Städtetheologie konzipiert.
Kontakt: schneider.clemens(at)gmail.com
Das Verständnis der Seele in der religiösen Innerlichkeit der Psalmen
Abstract: Die enorme Bedeutungsdivergenz des Begriffs „Seele“ erstreckt sich zwischen dessen frömmigkeitspraktischer Relevanz einerseits sowie einem starken Rückgang in wissenschaftlichen Diskursen andererseits, der auch die theologische Anthropologie einschließt. Da die Aufgabe des Begriffs angesichts seines breiten Bedeutungsspektrums indes nicht unproblematisch ist, stellt sich die Frage nach einem angemessenen Verständnis. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt den Versuch einer erneuerten Annäherung an den Begriff über die Darstellung der konzeptionellen Wahrnehmung des Menschen in den Texten des Alten Testaments. Anhand exemplarischer Studien zu Psalm 16; 38; 42/43; 51 und 139 gewinnt dabei zuerst das Verständnis von Innerlichkeit sowie dessen spezifische Begrenztheit für die untersuchten Texte an Profil. Hieran anschließend stellt sich dann die Frage, ob und wie diese Beschreibungen einen Seelenbegriff aufnehmen können, auch wenn kein eindeutiges quellensprachliches Korrelat vorliegt. Die Systematisierung der exegetischen Ergebnisse geschieht dabei im interdisziplinären Gespräch mit neueren Entwürfen der Systematischen Theologie vor dem Hintergrund der Geschichte des Seelebegriffs. Als wichtige Gesprächspartner erweisen sich hier neben anderen insbesondere Ulrich Barth und Malte Krüger. In kritischer Absicht wird dabei nach den Grenzen beider Konzepte gefragt, sowie Synthesen für ein gegenwartsrelevantes Verständnis der Seele.
Kontakt: ct21xify(at)studserv.uni-leipzig.de